Herztreffer seelischer Schmerz

Seelischer Schmerz ist schlimmer als körperlicher Schmerz

Körperlicher Schmerz ist das eine, doch seelischer Schmerz ist noch einmal ein ganz anderes Kaliber. Wieso ist das so? Wie kannst Du anderen vermitteln, wie schmerzhaft das ist, was Du empfindest? Das sind die Fragen, um die es in diesem Artikel meiner kleinen Blogartikel-Reihe zum Thema Schmerz geht. Benötigte Zeit: ca. 13 Minuten.

Inhaltsverzeichnis

  • Warum seelischer Schmerz schlimmer ist, als körperlicher Schmerz.
    • Ein persönliches Beispiel, dass Dir die Gründe dafür darlegt.
  • Was ist seelischer Schmerz?
    • Eine Definition des Begriffs.
  • Die Wege, auf denen seelischer Schmerz zugefügt wird
    • Eine Übersicht der grundsätzlichen Unterschiede, gefolgt von einer Aufzählung
      (mit einigen persönlichen Beispielen meines eigenen Bezugsrahmens im Bereich seelische Schmerzen).
  • Lesevorschläge

Wichtiger Hinweis: Ich betone, dass es sich bei dem, was Du jetzt liest, um meine eigenen Sichtweisen und persönlichen Erfahrungswerte handelt. Ich bin weder Medizinerin, noch Theologin, noch Psychiaterin. Und ob das, was mir geholfen hat/ hilft, auch für Dich gut ist, kann ich nicht beurteilen. Im Falle eines Falles riskiere es lieber einmal öfter umsonst in die Praxis/ ins Pfarrbüro zu gehen, als einmal zu wenig, denn es könnte vielleicht helfen!

Gründe dafür, warum seelischer Schmerz schlimmer als körperlicher ist!

Wenn Du körperliche Schmerzen hast, besitzt Du in der Regel einen Vorteil. Normalerweise gibt es da etwas, dass anderen Menschen eine – von Dir und Deinen Aussagen unabhängige – Bestätigung geben kann. Es gibt äußere Wunden, Laborwerte, Aufnahmen aus dem CT und MRT. Etwas Messbares, etwas, das kontrolliert und unabhängig von Deiner Person nachgewiesen werden kann. Es gibt Beweise. Beweise dafür, dass Du – sogar nach Meinung derjenigen, die nicht in Deiner Haut stecken – überhaupt Schmerzen haben „darfst“.

Wenn Du schon einmal Schmerzen hattest, ohne einen nachvollziehbaren Beweis für ihre Berechtigung vorlegen zu können, dann weißt Du, was ich meine.

Für all jene, die das noch nicht erleben mussten:
Das Mitgefühl verändert sich in Windeseile in Ungeduld, in Unglauben, in Genervtheit, in Vorwürfe und in die Aufforderung Dich endlich zusammenzureißen, sowie der Unterstellung, Du würdest ja nur schauspielern. Oder ein Fall für den Psychologen sein.

Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Nach meinem Treppensturz im Dezember 2016 hat es mehrere Monate gedauert, bis dann doch endlich einmal Ursachen für meine anhaltenden starken Schmerzen gefunden wurden. (Was ich allein der Tatsache verdanke, dass ich das Heft selbst in die Hand nahm und so zu einer Spezialistin fand, die die richtige Diagnose stellte und endlich mit einer Behandlung begann – unter anderem Chiropraktik, sowie verschiedene Akupunkturmethoden.) Bis dahin hatte ich mir schon so einiges an Unverschämtheiten durch Ärztinnen und Ärzte anhören dürfen. Kaum war jedoch eine Diagnose gestellt, änderte sich dies schlagartig. Denn die Diagnose einer Arztkollegin galt als objektiver Beweis, dass ich tatsächlich berechtigt war (und bin), Schmerzen zu empfinden.

Meine Aussagen als Betroffene hatten diesen Wert nicht.

Eine persönlich Anmerkung dazu:
Wenn der Wahrheitsgehalt dessen, was ich sage und/ oder die Berechtigung dessen, was ich empfinde, in Zweifel gezogen oder gar verneint wird, einfach so, aus der Willkür heraus, dann ist das eine Geringschätzung meiner Person.

Für mich stellt das eine ungeheure Beleidigung dar!

– Carmen Splitt
Herztreffer seelischer Schmerz
Herztreffer seelischer Schmerz

Nun, zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass es Menschen gibt, für die ein extern nachzuvollziehender Beweis erforderlich ist, damit Dir von ihnen zugestanden wird, dass Du tatsächlich Schmerz empfinden darfst.

Dieser Menschenschlag – der der Meinung ist, er könne besser als Du selbst beurteilen, was Du empfindest – ist bedauerlicherweise recht weit verbreitet. Und er fühlt sich recht schnell „angegriffen“, wenn Du ein anderes Bild als er von Deinem Schmerz zu haben wagst.

Womit klar ist, warum Du grundsätzlich ein gewaltiges Problem hast, wenn Du seelische Schmerzen empfindest.

Hinzu kommt, dass seelische Schmerzen, auch ohne die Zweifel und das Misstrauen die Dir von Deinem Gegenüber entgegenschlagen, von Natur aus schwerer zu vermitteln sind, als körperliche Schmerzen. Denn Kopfschmerzen, Verbrennungen, Zahnschmerzen … – all dies sind Dinge, die wir entweder aus eigener Erfahrung nachvollziehen können oder von denen wir aufgrund anderer Schmerzerlebnisse zumindest eine Vorstellung haben.

Seelischer Schmerz unterliegt weit größeren Einschränkungen in der Nachvollziehbarkeit.

Seelischer Schmerz ist nämlich so individuell, dass es für andere Menschen umso schwerer ist, ihn angemessen einordnen zu können. Das hat übrigens auch der Gesetzgeber erkannt. Um den Straftatbestand der Beleidigung zu erfüllen, ist daher zum Beispiel aus gutem Grund eben sowohl die Absicht der Beleidigung erforderlich, als auch, dass das Gesagte oder die Handlung vom Adressaten überhaupt als Beleidigung empfunden wird. Eine sehr weise Richtlinie!

Was ist seelischer Schmerz?

Ich sehe Lebewesen als dreigeteilte Wesen an. Menschen haben nach meiner Überzeugung einen materiellen Bestandteil (den Körper), sowie zwei immaterielle Bestandteile, nämlich den Geist (auch als Verstand oder Psyche bezeichnet) und die Seele (das Göttliche, das jedem Lebewesen innewohnt).

Alle drei Bestandteile stehen miteinander in Verbindung und beeinflussen einander. Die Übergänge zwischen allen drei Bestandteilen sind fließend.

Jeder der genannten Bestandteile kann verletzt werden. Diese Verletzungen verursachen Schmerzen. Verletzungen und Schmerzen bei einem der Bestandteile wirken sich parallel auch auf die anderen beiden Bestandteile aus.

Auf jene Verletzungen, die körperliche Schmerzen verursachen, bin ich ja schon ein wenig eingegangen.

Geistige Verletzungen können von Geburt an bestehen (Beispiel: Psychopathen) oder bewusst selbst angeeignet sein (Beispiel: bewusstes antisoziales Verhalten) oder von anderen bewusst oder unbewusst zugefügt werden (Beispiele: Empfang von bewusst oder unbewusst weitergegebenen Fehlinformationen, Hirnverletzungen durch Unfall oder Gewalttat, Demenz-Erkrankungen, bewusst selektive Aufnahme von Informationen bei gleichzeitigem ignorieren von anders lautenden Fakten).

Seelische Verletzungen können sich selbst zugefügt werden (Beispiele: die Suche nach dem Warum aufgeben, sich selbst aufgeben) oder durch andere Menschen zugefügt werden (Beispiele: Ausgrenzung, Erniedrigung, unbotmäßige Kontrolle, Kleinhaltung).

Die Besonderheit bei seelischen Verletzungen besteht darin, dass sie nicht nur der Seele der betreffenden Person zugefügt werden, sondern zugleich Gott selbst. Und damit der Existenz jeglichen materiellen und immateriellen Lebens an sich. Und das wiederum nicht punktuell, sondern mit Auswirkungen, die vom Anbeginn der Zeit bis zum Ende aller Zeiten andauern und das Gefüge des Seins erschüttern.

Das erklärt, warum seelische Wunden so lange brauchen, bis sie abheilen. Und warum es so lange dauert, bis seelische Schmerzen abebben. Wenn sie es denn überhaupt je tun.

Die Wege, auf denen seelischer Schmerz zugefügt wird.
Die Wege, auf denen seelischer Schmerz zugefügt wird.
Seelische Schmerzen werden Dir auf zwei Weisen zugefügt, auf mittelbarem Weg und auf unmittelbarem Weg.
Was verursacht Dir Schmerzen?

Beim mittelbaren Weg werden zuerst Körper und/ oder Geist verletzt, was zu einer Folgeverletzung der Seele führt. (Beispiele: Nach einem Raubüberfall oder einer Vergewaltigung sind auch Geist und Seele verletzt. Nach der Entdeckung, von einer Person Deines Vertrauens belogen worden zu sein, sind auch Seele und Körper verletzt.)

Beim unmittelbaren Weg steht dagegen die seelische Verletzung im Vordergrund. Geistige und körperliche Verletzungen treten als Folge ein. (Beispiele: Du wirst auf der Straße aus heiterem Himmel mit Vorwürfen überhäuft und dann stehengelassen, ohne zu ihnen Stellung nehmen oder sie gar entkräften zu können.

  • Oder Dir wird vorgeworfen, Du würdest lügen/ die Tatsachen falsch wiedergeben, doch der Ankläger weigert sich, Deine schriftlichen Gegenbeweise auch nur in Augenschein zu nehmen. Sie interessieren ihn nicht.
  • Oder Du glaubst einer allgemein ausgesprochenen Einladung und wirst nach der freundlichen Begrüßung „Was willst Du denn hier?“ an der Tür abgefertigt, während andere jederzeit ungeladen auch in fest terminierte Gespräche platzen können und herzlich begrüßt und bewirtet werden.
  • Oder Du wirst außen vorgelassen, während andere wichtige Dinge besprechen, die auch auf Dich Auswirkungen haben. Und im Anschluss wird Dir vorgeworfen, wenn Du Dich nicht an die Dinge gebunden fühlst, die über Deinen Kopf hinweg beschlossen wurden, ohne Dich auch nur zu Wort kommen zu lassen. Du erhältst den schnippischen Hinweis, dass die Umstände sich ja geändert hätten.)

Es gibt viele Dinge, die seelische Verletzungen hervorrufen.

Hinzu kommt, dass es Wunden gibt, die zeitgleich auf geistiger und seelischer Ebene geschlagen werden. Die folgende Aufzählung gibt Dir also lediglich einen kleinen Überblick, erhebt jedoch keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. Im Gegenteil. Es gibt mehr Möglichkeiten, um seelische Verletzungen zuzufügen, als es Menschen auf der Erde gibt! Hier nun eine kleine Auswahl:

Demütigungen, Erniedrigungen, Abwertungen, Beschämung, Bevormundung, Vernachlässigung, Ablehnung, Liebesentzug, Verweigerung von zumutbaren Berührungen, körperliche Gewalt, Hass, Neid, Eifersucht, Ausgrenzungen, unbotmäßige Kontrolle, Ignorieren, emotionale Kälte, ungerechtfertgtes Misstrauen, Respektlosigkeit, vorführen, Infragestellung der Moral, Infragestellung der Ehre, Infragestellung der Intelligenz, Infragestellung des Rechts auf Deine Empfindungen, Infragestellung des Glaubens in abwertender Absicht, Unterstellung von fragwürdigen Motiven und/ oder Zielen, Angriff auf wichtige Werte, psychischer und/ oder physischer Angriff auf Menschen die Dir etwas bedeuten, Erleben von (großem) Leid, Zerstörung des Vertrauens, Zerstörung des Urvertrauens, Zerstörung von Hoffnungen, wecken falscher Hoffnungen, Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen, Betrug, Unterschlagung von Vermutungen und Erkenntnissen und Fakten, Ungerechtigkeiten, das gewollte Versetzen in Angst und Furcht,  die Verweigerung von zumutbarer Hilfe, Anklage und/ oder Verurteilung in Abwesenheit – ohne die Chance der Stellungnahme zum Vorwurf/ den Vorwürfen zu erhalten, die Verweigerung von klärenden Gesprächen, … und die schlimmste Form der Gewalt – das Schweigen!

Mein eigener Bezugsrahmen in Sachen seelischer Schmerz
seelischer Schmerz
  • Das mein Vater zu meinem stets besoffenen Erzeuger mutierte. Mich belog. Mich permanent kontrollierte. Mich stalkte. Mich erniedrigte. Mich bestahl. Mich bedrohte. Mich als Schlampe und Nutte bezeichnete. Mich mit seiner Paranoia verfolgte. Mich in einen Zustand der fortwährenden Angespanntheit durch Bedrohung versetzte. Mir das Leben über Jahrzehnte zur Hölle machte. Mich beinahe in den Selbstmord trieb. Mir mein Urvertrauen nahm. Mir meine Kindheit nahm.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine 10-8, später nur noch eine 2.
      • Zu Anfang war es eine 10.
      • Im Laufe der Jahrzehnte trat ein gewisser Gewöhnungseffekt ein (8).
      • Nach seinem Tod begann ich mich zu erholen. Es tat gut, auf seinem Grab einen Wiener Walzer zu tanzen und Sekt auf sein Verrecken und mein Überleben zu trinken.
      • Jetzt ist es nur noch eine 2, eine leichte Melancholie darüber, was hätte sein können, wenn ich im Kampf gegen die Sauferei nicht so alleine gelassen worden wäre.

  • Die emotionale Kälte meiner Mutter. Ihre Ablehnung. Ihre Bevorzugung ihrer anderen Kinder. Ihre Gleichgültigkeit gegenüber meinem Leid.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine 6- 8, dann 1.
      • Eine 8 für die unzähligen Male, wenn ich von ihr umarmt werden wollte, mich neben sie aufs Sofa setzen wollte, ihr erzählen wollte, was in mir vorging – und sie mich immer wegschickte zu Oma.
      • Eine 8 für ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem, was mein Erzeuger uns allen durch seine Sauferei antat.
      • Eine 6 dafür, dass sie mich selbst im Sterben ablehnte.
      • Eine 1 seit ich acht Jahre nach ihrem Tod ein Schlüsselerlebnis hatte. Dadurch verstand ich, woher meine Schuldgefühle kamen und konnte sie auflösen.

  • Dass Oma und ich von meinen Adoptivgeschwistern im Stich gelassen wurden und ich mir später anhören durfte, dass wir zwei dennoch für die beiden hätten da sein müssen.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine 4. Dass in meiner „Familie“ eigenartige Vorstellungen zur Rolle der einzelnen Familienmitglieder herrschte, war nichts Neues. Ich ärgere mich über die Verdrehung von Tatsachen. Aber ich wundere mich weniger darüber.

  • Meine persönlichen #MeToo- Erlebnisse. Es folgt ein kleiner Ausschnitt. Bei Gelegenheit mal etwas ausführlicher:
    • Das Festhalten durch den pädophilen Nachbarn, der mich packte und meine Hand in seine Hosentasche steckte. Die innen offen war und der keine Unterwäsche trug.
    • Die Mitschülerin, die an ihrem Geburtstag nackt vor den Jungs posierte und erfolglos von mir erwartete dabei mitzumachen.
    • Ein Lehrer der mir seine Hand aufs Knie legte und sie erst wegnahm, nachdem ich ihm lautstark vor versammelter Klasse mitteilte, dass ich sie ihm sonst brechen würde.
    • Der ältere Herr, der mich in seine Wohnung zerren wollte.
    • Der Blitzer, der mir auf dem Schulweg sein erregiertes Glied präsentierte.
    • Der Mann, der hinter mir auf der Rolltreppe stand und sich einen runterholte.
    • Der Nachbarsjunge meiner Tante, der mich bei einem Besuch bei ihr durchs Schlüsselloch beobachtete, während ich mich umzog.
    • Ein Kollege, der es tatsächlich schaffte, in jedem zweiten Satz eine sexuelle Anspielung unterzubringen.
    • Mein Vorgesetzter, der mir auf den Hintern klatschte und über meine Reaktion verärgert war.
    • Ein Chef, der mir seine Urlaubsfotos zusendete, damit ich sie ihm ausdrucke. Er und seine Freunde nackt auf der Yacht. Dann nackt unter der Dusche, während er an seinem Glied rumspielt und es grinsend in die Kamera hält.
    • Und und und. Wie gesagt, bei Gelegenheit mehr dazu.

Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine 1. Ich war mehr verblüfft als alles andere. Und ich war stinksauer, weil diese Idioten der Auffassung waren, sie könnten mich einfach so als real gewordenen Bestandteil ihrer Phantasien missbrauchen. Ich belegte ein paar Selbstverteidigungskurse und weiß nun, wie ich im Falle eines Falles einen Angreifer mit einem Schlag handlungsunfähig machen und mit einem zweiten Schlag töten kann. Frau weiß nie, wann frau es noch gegen weitere Angreifer einsetzen muss. Ich bin aber nun noch besser vorbereitet, als ich es vorher war.

Der #MeToo-Debatte folge ich mit Verblüffung. Da haben Frauen und Männer über ihre erlittenen sexuellen Übergriffe über Jahre hinweg geschwiegen, weil sie „Angst um ihren Job oder vor anderen Nachteilen hatten“. So what? Wie kann das bitteschön als vermeintliche Rechtfertigung dafür aufgefasst werden, sich der eigenen Verantwortung zu entziehen? Ich bin nicht einmal als Kind auf die Idee gekommen zu schweigen. Ich habe Täter noch nie durch Schweigen gedeckt und den Eindruck vermittelt, was sie taten, könnte auch nur im Entferntesten in Ordnung sein. Niemals. Ich habe sie stets umgehend und unmissverständlich damit konfrontiert, dass sie Scheiße gebaut haben. Das ist eine Frage des erzieherischen Miteinanders. Das ist eine Frage der Verantwortung gegenüber meinen Mitmenschen und gegenüber der Gesellschaft.

Es macht mich wütend, dass diejenigen Frauen und Männer, die Ziel von Übergriffen wurden und erst nach Jahren und Jahrzehnten ihren Widerwillen kundtun, auch noch als vermeintliche Heldinnen und Helden gefeiert werden. Für mich sind sie durch ihr Schweigen zu Beihelferinnen und Beihelfern geworden.


  • Das Gott meiner Oma und mir nur so wenig Zeit in Freiheit gelassen hat, bevor er sie zum Pflegefall hat werden lassen.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine 8. Wenigsten hatten wir noch ein paar schöne Jahre.

  • Die Veränderungen, die Oma durchmachen musste. Ihr Leid und ihre Verzweiflung zu sehen und ihr nicht helfen zu können.
  • Die Zeit, als sie mich nicht mehr erkannte und mit dem Namen meiner Mutter ansprach.
  • Die Zeiträume, in denen Gott ihr die Sprache nahm.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Jedes für sich allein schon eine glatte 10.

  • Die Fehler, die ich während der Pflegezeit gemacht habe.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. 9-10, nun nur noch eine 3. Obwohl ich weiß, dass meine Oma mir meine Fehler vergeben hat, konnte ich mir selbst nicht vergeben. Ich fand erst viele Monate später durch eine Beichte und ein Abendmahl bei „meinem“ Pastor (Florian Schwarz) zur Ruhe.

  • Der Tod meiner Oma.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine???? Was??? Der Tod meiner Oma sprengt für mich jedwede Skala! Omas Todeskampf waren die längsten und schrecklichsten sieben Minuten meines Lebens. Gefolgt von Einsamkeit bis zu meinem eigenen Tod, in dessen Anschluss ich sie hoffentlich endlich wiedersehen darf. Wenigstens konnte ich ihren Wunsch erfüllen zu Hause zu sterben. Sie starb in meinen Armen.

  • Der Verlust der Kirche als Heimat. Mein Entsetzen, als ich feststellen musste, welch widerlichen Zustände in der Landeskirche Hannovers herrschen.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Erst eine 9. Eine 5 seitdem ich nicht länger leugne, sondern endlich akzeptiere, dass die Kirche ein Sauhaufen ist und den Glauben nicht schützt, sondern zerstört. Eine 3 seit ich die Entscheidung traf, für eine Verbesserung der Zustände zu kämpfen.

  • Die Tatsache, dass der Mann, den ich liebe, meine Gefühle nicht erwidert.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine 3. Tut weh. Gleichzeitig bin ich unglaublich dankbar, dass ich mich zum ersten Mal in meinem Leben zu einem Mann hingezogen fühle und dass auch noch zu 100 % auf allen Ebenen: intellektuell, emotional, kulturell, soziologisch, ethisch, biologisch, ästhetisch, sexuell. Ich mag ihn so wie er ist, als Komplettpaket, nicht nur seine Vorzüge, nicht nur die wundervollen seiner Eigenarten, sondern auch seine Fehler und Macken. Dass er nicht perfekt ist, dass erst macht ihn für mich glaubwürdig und real. Er ist kein Traum. Es gibt ihn wirklich. Und ich liebe ihn. Ich habe es nie für besonders realistisch gehalten, dass ich je Liebe empfinden könnte. Und jetzt darf ich es doch. Das also ist Liebe. Wow!
      Es ist schade, dass er meine Liebe nicht erwidert, nicht einmal meine Freundschaft. Mir beides sogar vorwirft und aufgrund ihrer etwas fürchtet, was nie passieren kann. Aber das schmälert nicht meine Dankbarkeit. Gott ist nun einmal grausam. Aber dass ich Liebe empfinde, dass kann er nicht mehr ungeschehen machen. Er kann sie bekämpfen, sie kleinmachen. Auch sie wieder als Waffe gegen mich verwenden (lassen). Aber die Erinnerung an die Wärme, die den Eispanzer meines Herzens antaute. Die ist in eben dieses Herz unauslöschlich eingebrannt. Manchmal erwächst aus Gottes Grausamkeit ein Schatz.

  • Dass der Mann, den ich liebe, denkt, ich würde von ihm erwarten, dass er meine Gefühle erwidert. Und mich aufgrund von Fehlinterpretationen für ein Monster hält, dass Liebe durch Gewaltanwendung erzwingen könnte. Für eine Stalkerin und potenzielle Vergewaltigerin.
    • Skala-Einstufung 1 bis 10. Eine glatte 10. Es ist ungerecht. Ungerechtigkeit ist mein persönlicher XXL-Trigger. Und auch diesmal erhalte ich keine Möglichkeit, mich zu verteidigen und die Anschuldigungen zu widerlegen. Die Missverständnisse zu klären. Mich zu erklären. Es tut so verdammt weh. Ich bin so tief verletzt. Bisher wurde ich „nur“ als Schlampe, Flittchen und Hure bezeichnet und behandelt. Als vermeintlich williges, leicht zu erlegendes Stück Fleisch. Schon als Kind fand ich einen Weg mit dieser Scheiße umzugehen.
      Aber als männerjagende potenzielle Vergewaltigerin angesehen und behandelt zu werden ist auf eine ganz andere Art und Weise noch sehr viel verletzender. Das Etikett des vermeintlich willigen Opfers ist etwas anderes, als das Brandmal der vermeintlich zukünftigen Täterin.


Ich hätte nie gedacht, dass es jemals jemandem gelingen würde mich noch mehr als mein versoffener Erzeuger zu beleidigen, zu erniedrigen, zu demütigen, kontrollieren zu wollen, zu ängstigen und zu entmenschlichen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass mich irgendwer oder irgendetwas sogar noch mehr verkrüppeln könnte, als alles bisher Erlebte zusammen. Das war jenseits meiner Vorstellungskraft. Selbst in meinen schlimmsten Albträumen habe ich mir etwas Derartiges nicht ausgemalt. Meine Phantasie hat dafür einfach nicht ausgereicht.

Und das schlimmste ist, dass dies alles gar nicht seine Intention ist.

Wenn es so wäre, könnte ich besser damit umgehen. Dann könnte ich sagen „wertloser Kretin“ und ihn fix und fertig machen, bevor er mich noch mehr verletzen kann. Wenn er wenigstens dämlich wäre, dann könnte ich sagen „geistig minderbemittelt“ und ihn als Person einstufen, die es nicht wert ist, über ihn und seine Motivation nachzudenken. Aber er ist intelligent und ein guter Mensch (was ich von verdammt wenigen lebenden Zweibeinern sage).

Er ist nur leider aufgrund von Fehlinterpretationen davon überzeugt, sich und seine Familie vor mir beschützen zu müssen. Weil er mir ein bestimmtes Bild übergestülpt hat und es nicht hinterfragen kann. Denn Gott hat einen beschissenen Sinn für Humor und amüsiert sich auf meine Kosten. Wieder einmal.

Lesevorschläge:

Im Laufe des Lebens verändern viele Menschen ihren Umgang mit dem Thema Schmerzen. Wir spielen eigenen Schmerz herunter. Wir bagatellisieren ihn. Wir haben Angst, sie „zuzugeben“. Das ist eins der Themen, die ich in meiner Blogartikel-Reihe zum Thema Schmerz behandle:

Welche (Schmerz)Themen interessieren Dich noch? Hinterlasse gerne Deine Fragen und Anregungen als Kommentar!


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