Hier geht es um Scham. Wofür schämst Du Dich denn, von Carmen Splitt

Traumatische Scham – wofür ich mich schäme

Scham ist ein unangenehmes Gefühl. Scham ist etwas schmerzhaftes. Es fällt unter die Kategorie „seelischer Schmerz“. Für mich ist das kein Grund, es zu verleugnen. Doch es kommt nicht so häufig vor, dass ich mich schäme. Und wenn, dann fremdschäme ich mich häufiger, als ich mich selbst beschämt fühle. Das hängt damit zusammen, dass ich Eigenscham nur dann verspüre, wenn ich selbst für das Beschämende die Verantwortung trage.

Wenn etwas Beschämendes nicht in meiner Verantwortung liegt, weil ich es schlichtweg nicht beeinflussen kann, dann sehe ich auch keinen Grund dafür, mich zu schämen.

In meinem Leben gibt es tatsächlich nur fünf Dinge, für die ich mich schäme:

Hier geht es um Scham. Wofür schämst Du Dich denn, von Carmen Splitt
Für diese 5 Dinge schäme ICH mich aufrichtig!
  • Dafür, dass ich nachwievor immer wieder einmal daran scheitere, mich anderen Menschen verständlich zu machen.
  • Für die Fehler, die ich während der Pflege meiner Oma machte. (Eines Tages werde ich die Kraft haben, darüber zu schreiben.)
  • Für die rassistischen Gedanken, die ich Anfang Juni 2012 hatte gegenüber einem farbigen Arzt, aufgrund dessen Fehldiagnose meine Oma kurz vor ihrem Tod noch unnötige Schmerzen hatte erleiden müssen. (Mein Ausflug in den Rassismus ist durch meine emotionale Ausnahmesituation so kurz nach dem Tod meiner Oma zu erklären, jedoch selbstverständlich nicht zu entschuldigen.)
  • Dafür, dass ich es noch immer nicht geschafft habe, dem Mann den ich liebe die Furcht zu nehmen, dass ich von ihm eine Erwiderung meiner Liebe erwarten würde. Dadurch hat er ein verstörendes Bild von mir. Verstörend für ihn. Verstörend für mich.
  • Für die Situationen, in denen ich meine Reaktionen auf meine – in meiner Kindheit und Jugend entstandenen – Trigger nicht vollständig genug unter Kontrolle habe. (Nach all den Jahrzehnten, reagiere ich mitunter noch immer heftig auf Bienen und Wespen und Ohrenkneifer, auf Höhe, Brücken, Angriffe von hinten, Würgeangriffe, Erstickungsgefahren, auf Beengung und Gefangenschaft, auf den Versuch mich zu kontrollieren, auf den Versuch mir Minderwertigkeit zu vermitteln, auf alkoholisierte Personen, auf Polizeibeamte, auf Diebstahl, auf Verleumdungen, auf Lügen, auf Personen die ihre Verantwortung ablehnen, auf Versuche die Gleichwertigkeit aller Menschen in Frage zu stellen und auf Personen die meinen Glauben und/ oder meine Überzeugungen ins Lächerliche ziehen wollen, statt sich mit ihnen argumentativ auseinanderzusetzen.)

Für diese fünf Dinge schäme ich mich aufrichtig!

Für andere Dinge, bei denen von mir die Reaktion der Scham erwartet wird, sie regelrecht gefordert wird, schäme ich mich hingegen nicht. Ich sehe dazu keinen Grund. Und ich kann nicht nachvollziehen, warum andere Menschen in solchen Fällen ihrerseits Scham empfinden.

Scham ist hier Blödsinn:

Es gibt eine Menge Dinge, bei denen andere umsonst darauf gewartet haben und/ oder darauf warten, dass ich mich für sie schäme:

  • dafür, dass mein Erzeuger soff. (Weder war ich der Grund für seine Sauferei, noch habe ich Geld an seiner Sauferei verdient, noch habe ich diese durch wegsehen und schweigen unterstützt. Zu schämen haben sich andere. Ich nicht.)
  • dafür, dass ich zum Ziel sexueller Übergriffe wurde (Nicht durch meinen Erzeuger. Männer die sich an Frauen oder Kinder vergriffen, waren ihm zutiefst zuwider. Ironischerweise hat er nie erkannt, dass Gewalt nicht erst mit Schlägen beginnt. Dennoch trägt er eine Verantwortung dafür, dass Männer im Laufe der Jahrzehnte der irrigen Annahme waren, sie könnten über mich und meinen Körper verfügen. Denn ich vermute, dass ich durch das frühe Ende meiner Kindheit unbewusst etwas ausgestrahlt habe, dass Perverse wie Motten das Licht angelockt hat. Nun ja. Dank meines Selbstbewusstseins – dass ich einzig und allein meiner Oma verdanke – und der früh erlernten Fähigkeit mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu wehren, konnte ich das schlimmste immer verhindern. Bei keinem dieser Erlebnisse habe ich je Scham oder Angst verspürt. Ich war immer nur maßlos verblüfft und stinksauer über die Fehleinschätzung meiner Person durch diese Männer. Zu schämen haben sie sich, für ihr Frauenbild und für ihre Übergriffe. Ich nicht.)
  • dafür, dass ich Ziel von Ausgrenzung, Mobbing und Bossing wurde. (Ich bin stets aktiv mit diesen Dingen umgegangen, habe es nie hingenommen. Nicht immer konnte ich es beenden, aber immerhin in 85 % der Fälle. In weiteren 14 % habe ich gelernt damit umzugehen, dass meinem Gegenüber nichts daran lag, sein Bild von mir zu hinterfragen. Oder es war mir gleichgültig, weil die entsprechenden Personen für mich keine Bedeutung haben. Nur an 1 % der Fälle habe ich wirklich zu knabbern, weil ich das abwertende Verhalten hier wirklich als unnatürlich empfinde und/ oder als irrational und/ oder als durch nichts zu begründende willkürliche Ungerechtigkeit. In Fällen von Ausgrenzung, Mobbing und Bossing geht es unter anderem darum, das Selbstwertgefühl des Ziels zu schwächen. Dadurch, dass man ihm vermittelt, es gehöre nicht zur Gruppe, weil es nicht wert sei, dazuzugehören. Nun, Dank der Erziehung durch meine Oma ist in meinem Innersten verankert, dass alle Menschen gleich viel wert sind. Zu schämen haben sich jene, die das ignorieren. Ich nicht.)

Hierfür empfinde ich ebenfalls keine Scham:

  • für meinen Körper. (Ich bin mit meinem Aussehen schon immer zufrieden gewesen. Es gibt nichts an meinem Körper, dass ich hässlich finde. Natur pur. Zu schämen haben sich jene, die ihren Körper verändern, damit er sich irgendeinem Schönheitswahn annähern soll. Ich nicht. Und bei jedem Gramm Kummerspeck und jedem Gramm Wohlfühlspeck kann ich sagen: Es hat seine Berechtigung! Kurz und gut, ich finde meinen Körper gut, so wie er ist und kann auch mit allem gut leben, was mein Körper so an Überraschungen für mich bereithielt und hält. Ob ich nun während des Physik-Unterrichts aufgrund hormoneller Schwankungen wie ein Chamäleon die Hautfarbe im Minutentakt änderte. Oder ob mir, während ich im Rechnungswesen an der Tafel stand, das Menstruationsblut in Strömen an den Beinen herablief. Ich wäre nie auf die Idee gekommen mich für etwas zu schämen, was Mutter Natur so mit mir anstellt. Zu schämen haben sich jene, die ihre pubertäre Unreife durch Gelächter unter Beweis stellten. Ich nicht.)
  • für meine Intelligenz und mein Wissen. (Es gibt Menschen, die mir beides vorwerfen. Keine Ahnung weshalb. Intelligenz kann trainiert und gesteigert und Wissen kann angeeignet werden. Von jedem Menschen. Zu schämen haben sich jene, die das nicht tun, sondern aus Bequemlichkeit lieber die angreifen, die es machen. Ich nicht.)
  • für meinen Glauben. (Ich bin bereits als Kind schon als Freak bezeichnet und wie eine Spinnerin behandelt worden, dafür, dass Gott in meinem Leben eine zentrale Rolle spielt. Weil ich Christin bin und das nicht verschweige. Zu schämen haben sich diejenige, die sich über meinen Glauben lustig machen, nur weil sie selbst nichts haben, woran sie glauben könnten oder mit dem sie sich auseinandersetzen müssen. Ich nicht.)
  • für meine Überzeugungen. (Alle Menschen sind gleich viel wert. Zu schämen haben sich jene, die das für naiv halten. Oder jene, für die diese Wahrheit nur ein Lippenbekenntnis ist. Ich nicht.)
  • für meine Gefühle (Ich fühle Freude und Trauer, Liebe und Hass, Stolz und Minderwertigkeit, Frieden und Zorn, Hoffnung und Frustration und und und. All meiner Gefühle bin ich mir bewusst und stehe zu ihnen. Sie sind ein Teil von mir. Zu schämen haben sich jene, die ihre Gefühle leugnen, sich vormachen, sie hätten keine negativen Gefühle. Ich nicht.)
  • dafür, dass ich anders war und bin, als von mir erwartet wurde und erwartet wird. (Ich bin nicht alle, ich bin nicht jedermann. Ich bin ich! Ich bin nicht dazu da, den Vorstellungen und Erwartungen anderer gerecht zu werden. Zu schämen haben sich jene, die mich in ihre vorgefertigten Schubladen stecken wollen. Die mich in Schablonen pressen wollen. Ich nicht.).
  • für meine Freunde und Bekannten. Sie sind wie sie sind. Wer sie auch sind und was immer sie auch anstellen, ich stehe dazu, mit ihnen befreundet zu sein. Ich muss ihre Ansichten nicht teilen, ich muss ihre Handlungen nicht gutheißen, aber die Tatsache, dass sie zu meinen Freunden oder Bekannten zählen, ist mir nicht peinlich. Ich „verstecke“ nicht, dass ich sie mag.
  • für meine Neugier und meinen Wissensdurst. (Die einzig dummen Fragen sind jene, die nicht gestellt werden! Ich hinterfrage alles und jeden, bilde mir meine eigene Meinung. Zu schämen haben sich jene, die keine Fragen stellen oder Antworten nicht hören wollen, weil sie sich lieber ihre eigenen geben.)

Was ist mit Dir? Wofür empfindest Du Scham?
Hinterlasse mir gerne einen Kommentar, denn es interessiert mich. Ich freue mich auf Deine Gedanken!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar