Germanwings Flug 9525 – das Unrecht der Angehörigen

Co-Pilot Andreas Lubitz entschied sich, sein Leben mit Germanwings Flug 9525 zu beenden. Er war auf den Tod vorbereitet. Die anderen Mitglieder der Crew und die Passagiere waren es nicht. Die Hinterbliebenen sind in Trauer, mit all den dazugehörigen emotionalen Reaktionen. Das rechtfertigt jedoch nicht alles!

Die Hinterbliebenen sind voller Wut auf ihn. Sie fragen, wie er das tun konnte, schließlich hätten ihre Angehörigen sich ihm anvertraut. Doch haben sie das?

Aus meiner Sicht, haben sie sich einer Maschine anvertraut. Einer Maschine mit lebendem Inventar. Sie hatten keinerlei Interesse daran, wer die Crew war. Denn unsere Gesellschaft ist unpersönlich geworden!

Gerechtigkeitssinn, wohin bist Du entschwunden?

Es ist noch gar nicht allzu lange her, da haben Reisende sehr genau überlegt, wem sie sich anvertrauten. Wir zogen Erkundigungen über den Menschen ein, der für unseren Leib, unser Leben und unser Hab und Gut die Verantwortung übernahm.

Wir machten uns kundig, über seinen Charakter und über sein Umfeld.

Wir bauten eine Beziehung zu ihm auf.

Erst dann waren wir bereit, ihm zu folgen!

Führer und Reisende lernten einander kennen, noch vor Reiseantritt. Während der Reise vertiefte sich das Wissen übereinander. Am Ende schied man wehmütig oder erleichtert. Aber man war mit einem Menschen unterwegs gewesen. Und von einem Menschen kann ein anderer Mensch erwarten, dass er ihn achtet und sein Leben respektiert.

Heutzutage wird man bereits vom einfachen Taxifahrer misstrauisch beäugt, wenn man versucht, eine persönliche Unterhaltung zu führen.

Keiner darf sich mehr für den anderen interessieren. Andernfalls gerät man unter Verdacht, nicht „normal“ zu sein, grenzverletzend zu sein und sich dringend Hilfe besorgen zu müssen.

Die Angehörigen der Toten werfen nun Herrn Lubitz vor, dass er nicht daran gedacht hätte, was seine Handlungen an Folgen für andere hat. Es sei dahingestellt, ob er sich dessen wirklich nicht bewusst war.

Oder ob er sich einfach dachte: „Na und? Warum sollte mich das kümmern?
Keiner von ihnen hat sich je um mich gekümmert. Ich bin ihnen nichts schuldig.“

Und damit, hat er recht.

Er war den Menschen, nicht mehr schuldig, als sie ihm ihrerseits entgegenbrachten!

Wie viele von ihnen hatten ihn vor dem Abflug begrüßt und sei es nur mit einem freundlichen Lächeln, als er zum Cockpit ging? Wie viele von ihnen kannten seinen Namen? Oder wussten etwas über seine Hoffnungen und Ängste?

Wenn er sie nicht interessiert hat, wieso sollte er sich dann für sie interessieren?

Wie kommen die Hinterbliebenen auf die Idee, ihre Toten seien etwas Besseres, als Herr Lubitz es ist?

Wieso fragen sie nicht lautstark, warum ihre Liebsten sich nicht für ihn und sein Leben interessierten?
Hätte auch nur einer von ihnen es getan, der Tod wäre wohl an ihnen allen vorbei gegangen.

Und welche Konsequenzen zieht man nun seitens der Betriebe? Soll es nun menschlicher zugehen, in den Fluggesellschaften? Persönlicher? Nein! Das Gegenteil ist der Fall. Nun soll selbst der letzte Hafen der Vertraulichkeit, die ärztliche Schweigepflicht aufgehoben werden.

Es ist bezeichnend für unsere Gesellschaft, dass wir Kälte mit noch mehr Kälte bekämpfen, statt einander Wärme zu schenken. Es ist bezeichnend und beschämend!


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