Um mich und das, wofür ich einstehe, einschätzen zu können, ist es erforderlich zu wissen, woran ich glaube. Und es ist wichtig nachzuvollziehen, woran ich nicht glauben kann und warum das so ist. Das ist es, woran ich glaube:
Zusammengefasst glaube ich an Gott und ich glaube an den Glauben von Pastor Florian Schwarz. Ich glaube an die Liebe meiner Oma und an die Gleichwertigkeit aller Menschen. Das Wort „glauben“ hat ja viele Bedeutungen. In diesem Zusammenhang bedeutet es für mich ganz konkret folgendes:
Ich glaube an Gott heißt, dass ich die Gewissheit habe, dass es ihn gibt und dass ich an der Hoffnung festhalte, dass er fähig ist, sich besser zu verhalten, als er es bis jetzt tut und zu etwas Besserem werden kann, als er bisher ist.
Ich glaube an den Glauben von Pastor Florian Schwarz heißt, dass ich mich an dem Vertrauen Florians festkralle. Es ist sein Glaube, seine Zuversicht, der mir einen kläglichen Rest der Hoffnung beschert, dass das Gute in Gottes Wesen das Böse in Gottes Wesen vielleicht doch überwiegt und Gott zur Abwechslung seine Versprechen eventuell tatsächlich einmal halten könnte. Es ist ein zerknickter, zerfaserter, angebrochener Strohhalm an dem ich mich da verzweifelt und verbissen festzuhalten versuche. Mein eigener Glaube ist durch meine Erlebnisse, insbesondere durch meine Erlebnisse von 2013-2016 im kirchlichen Umfeld, derart zerstört, dass ich falle. Ich befinde mich im freien Sturz innerhalb eines bodenlosen tiefschwarzen Grabens, gebildet aus Felswänden die sich aufeinander zu bewegen, während ich an ihnen vorbei falle. Und während ich an ihrer Massivität ersticke und von ihnen zerquetscht werde, von diesen aus der Gefühlskälte und Gleichgültigkeit der Menschen geformten Felswänden, während meines Sturzes also, da kralle ich mich an diesem Strohhalm fest, den ich bei Florian gefunden habe. Kralle mich an diesem Strohhalm fest, presse ihn an meinem Brustkorb, kringel mich in Fötusstellung zusammen und habe Panik, dass die Felswände mir auch diesen letzten Strohhalm des Glaubens aus den Händen reißen. Und ich falle und falle und habe Angst.
Ich glaube an die Liebe meiner Oma heißt, dass ich weiß, dass meine Oma mich liebt, auch über ihren Tod hinaus. Sie ist die einzige, die mir in meinem Leben Liebe und Geborgenheit gab. Sie war alles, was ich als Familie empfand. Der Rest meiner Verwandtschaft? Meinem Empfinden nach Fremde und ich für sie vor allem ein Mittel zum Zweck. Um meiner selbst willen geliebt und mich so angenommen wie ich bin, hat mich nur ein Mensch, meine Oma.
Ich glaube an die Gleichwertigkeit der Menschen heißt, dass ich uneingeschränkt für das Doppelgebot der Liebe eintrete. Kein Mensch ist weniger wert und kein Mensch hat weniger Rechte, als ein anderer. Ob Durchschnittsbürger, Heiliger oder Massenmörder – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob jemand, den ich liebe, jemand den ich ablehne, jemand den ich bewundere, jemand den ich verachte, jemand dem ich neutral gegenüberstehe – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob Freunde oder Fremde – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob gutbürgerlich oder bekennender Rassist – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob reich oder arm – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob heterosexuell, homosexuell oder bisexuell oder asexuell – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob VIP oder unbekannter Obdachloser – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob Pfuscher oder Perfektionist – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob Pädophiler oder Opfer – das Doppelgebot der Liebe gilt. Ob Islamist, Neonazi, RAF-Mitglied oder Musterbürger – das Doppelgebot der Liebe gilt. Immer. Ohne wenn und aber. Das ist es, woran ich glaube. Kein Mensch ist weniger wert und kein Mensch hat weniger Rechte, als ein anderer. Ich übrigens auch nicht. Auch ich bin nicht weniger wert als andere. Auch ich habe das gleiche Recht auf meine Gedanken, meine Gefühle und meine Art zu denken, zu glauben und zu leben! Ich darf auf diesem Recht bestehen, denn ich gestehe es auch jedem anderen zu. Respekt ist verdammt noch einmal keine Einbahnstraße.
Was ich glaube in Bezug auf Gott und warum die Kirche mir die Augen öffnete
Ich mag Gottes Art der Kommunikation nicht, seine Vorliebe dafür, Lektionen zu erteilen und die einen zu opfern, damit andere daraus etwas „lernen“ sollen. Ich mag Gottes Benehmen nicht. Ich habe mich mein ganzes Leben lang gefragt, warum Gott, mich all das erleben ließ, was ich erlebte. Über einen seeeehr langen Zeitraum habe ich mir eingeredet, dass ich lediglich den tieferen Sinn für all die erlebte Scheiße nur noch nicht verstehen würde. Das Gott jedoch ein höheres Ziel damit verfolgen würde.
Es waren meine Erlebnisse mit der Kirche in der Zeit von 2013 bis 2016, insbesondere mit der evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers und ihren offiziellen „Würdenträgern“, die mir die Augen öffneten. Ich erkannte: Umso mehr ein Mensch sich in die kirchliche Umgebung vertieft, je höher er die kirchliche Karriereleiter hinaufsteigt, desto egozentrischer und umso gleichgültiger wird er augenscheinlich gegenüber seinen Mitmenschen. Das öffnete mir wirklich die Augen über das Wesen der Menschen und das Wesen Gottes. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich beim damaligen Kirchenvorstand der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Sankt Dionysius in Bad Fallingbostel, sowie insbesondere bei Superintendent Ottomar Fricke, bei Landessuperindentent Dieter Rathing und selbstverständlich besonders ausdrücklich bei Landesbischof Ralf Meister.
Warum ich dankbar bin?
Ohne den
besagten Kirchenvorstand hätte ich wohl nie erfahren, dass
das Ehrenamt in der Kirche als etwas verstanden wird, dass als Götze anzubeten
sei. Ohne diesen Kirchenvorstand hätte ich auch nie erfahren, dass der Stolz
und die Egozentrik einer handvoll ehrenamtlich tätiger Gemeindemitglieder für
die (Irr)Leitung der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers mehr
Relevanz hat, als das Seelenleid und die Glaubensbeschädigung tausender
protestierender Gemeindemitglieder.
Danke dafür!
Ohne Superintendent
Ottomar Fricke
hätte ich wohl nie erfahren, dass es in der evangelisch-lutherischen
Landeskirche Hannovers darum geht, vor allem auf den eigenen Vorteil bedacht zu
sein und dafür alles und jeden zu opfern. Ohne Superintendent Fricke hätte ich
auch nie erfahren, welche Atmosphäre der Angst in der Kirche herrscht oder gar,
dass dies von so vielen einfach hingenommen wird.
Danke dafür!
Ohne Landessuperintendent
Dieter Rathing
hätte ich wohl nie erfahren, dass Superintendent Fricke keine unrühmliche
Ausnahme, sondern ein Beispiel für die Regel in der Landeskirche Hannovers
darstellt. Ab der Position Superintendent aufwärts geht es ganz allgemein vor
allem darum, tunlichst unter sich zu bleiben und die eigene „Stellung“ zu
sichern. (Ich habe nur eine Ausnahme feststellen können und diese Person hat
sein Amt als Superintendent aufgegeben.) Wenn es sich absolut nicht vermeiden
lässt, sich mit den unteren Chargen oder gar mit dem „gemeinen Volk“ zu
beschäftigen, so begibt man sich ab Superintendent aufwärts nicht vor Ort,
nicht dorthin, wo die Hütte brennt. Betroffene haben vielmehr als Bittsteller
bei denjenigen erfolglos anzuklopfen, die für ihren Schutz verantwortlich wären.
Ohne Landessuperintendent Rathing hätte ich auch nie erfahren, dass in
der Landeskirche Hannovers eine abstruse Klassengesellschaft gepflegt wird.
Regelmäßige Kirchgänger sind innerhalb der Landeskirche höher angesehen als
andere Kirchenmitglieder. (Dafür gibt es unfassbarerweise sogar einen Begriff,
dessen Verwendung innerhalb der Kirche auch noch wie selbstverständlich
hingenommen wird. Es wird dabei von einer vermeintlichen „Kerngemeinde“
geredet.) Weiter geht es mit den Ehrenamtlichen. Ehrenamtlich Tätige stehen
über gewöhnlichen Kirchgängern. Hauptamtlich Tätige stehen dann wiederum über
den Ehrenamtlichen. Bei den SeelsorgerInnen innerhalb der hauptamtlich Tätigen
gibt es dann zusätzlich eine selbstgebastelte Hackordnung.
Danke dafür, dass Landessuperintendent Rathing das klargestellt hat!
Ohne Landesbischof
Ralf Meister
hätte ich wohl nie erfahren, dass ich Kirche ganz falsch eingeschätzt hatte.
Bis ich erlebte, wie grandios ein vermeintlicher „oberster Seelenhirte“ einer
Landeskirche das Seelenleid der ihm anvertrauten Seelen ignorieren kann, hatte
ich bis dahin tatsächlich gedacht, dass es in der Kirche um den Glauben geht.
Mitnichten! Dank Ralf Meister weiß ich nun, dass es darum geht, Skandale
auszusitzen, Menschen und ihr Leid zu ignorieren und Verbrechen an ihnen unter
den Teppich zu kehren. Und natürlich, dass es darum geht Machtgebilde zu
erhalten. Ganz gleich, was die Opfer das kostet. Hauptsache es wird der
Anschein übergestülpt, es würde eine Aufarbeitung der Verbrechen erfolgen. Tja,
ich dachte bis dahin wahrhaftig, dass es das Selbstverständnis der Kirche sei,
sich Willkür entgegenzustellen und sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Ralf
Meister hat mich erfolgreich davon überzeugt, dass es in der Kirche darum geht,
die eigene Existenz in den höheren Etagen dadurch zu rechtfertigen, dass man
sich als „Führungsperson“ in der Kirche gegenseitig den Arsch deckt.
Erbärmlich, dass jemand mit einer derartigen Einstellung als offizieller
Vertreter des evangelisch-lutherischen Glaubens wahrgenommen wird. Einfach
erbärmlich.
Danke Landesbischof Meister für sehr wertvolle Lektionen in Sachen kirchliche
Unfähigkeit!
Die
Verhältnisse innerhalb der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers?
Tja, als hätte es Jesus von Nazareth nie gegeben. Strukturelle Gewalt statt
Doppelgebot der Liebe. Selbstherrliche „Dienstherren“ statt „Diener aller
sein“. Herrscherallüren bei Kirchenvorständen, bei Kantoren, bei
Superintendenten, bei Landessuperintendenten, beim Landesbischof. Das, woran
ich glaube, woran weltweit Millionen Christen glauben, ist der (Irr)Leitung der
evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers herzlich gleichgültig. Sie hat
wichtigeres zu tun, als sich darum zu scheren, was ihre Gleichgültigkeit für
eine Auswirkung hat, auf das, was ich glaube oder auf das, was andere glauben.
Der Glauben spielt keine große Rolle mehr bei ihnen. Da geht es um „größere
Zusammenhänge“. Mein Eindruck vom aktuellen Zustand der Landeskirche
Hannovers? Ein Saustall. Vorbilder? In den „oberen“ Etagen ist nur Gegenteiliges
vorzufinden.
Danke,
für die erhellenden Einblicke in „kirchliche Prioritäten“!
Der Grund für die miesen Zustände?
Darüber habe ich lange nachgedacht. Die strukturelle Gewalt, die in der Kirche herrscht ist offensichtlich. Auch die Ausbildung unserer SeelsorgerInnen zielt eindeutig darauf ab, unsere SeelsorgerInnen von den anderen Gemeindemitgliedern zu isolieren. So weit, so traurig genug.
Warum verletzen Menschen andere Menschen? Warum trampeln sie auf ihnen herum und zerstören sie seelisch und körperlich?
Welchen tieferen Sinn hat das alles? Was will Gott uns dadurch beibringen? Warum opfert er die einen, um den anderen etwas beibringen zu wollen?
Seit Jahrzehnten habe ich geprüft und hinterfragt und verteidigt, woran ich glaube. Habe es von allen Seiten beleuchtet, immer auf der Suche nach Wahrhaftigkeit. Dabei ist die Antwort auf all meine Fragen nach dem WARUM doch so wahrhaft erschreckend banal. Ich bedanke mich nochmals bei Superintendent Fricke, Landessuperintendent Rathing und Landesbischof Meister dafür, das ich sie erhielt.
Bei den Menschen:
Weil sie es können, weil ihnen danach ist und weil sie sich selbst wichtiger sind, als das Wohlergehen anderer es ist. Und weil das Interesse Dritter daran, sie von ihren Taten abzubringen, entweder gar nicht oder in zu geringem Umfang vorhanden ist.
Bei Gott:
Weil er es kann. Weil ihm danach ist. Weil die Anstrengungen, ihn davon zu überzeugen, dass es auch anders geht, nicht ausreichend sind. Weil er daher keine Veranlassung sieht, sich von seinem Tun abbringen zu lassen.
Tja, nun kennst Du die Zusammenfassung meines Glaubens. Vermutlich sind einige Deiner Fragen, die Du mich betreffend hattest, nun beantwortet. Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass Du nun noch weitere Fragen hinzugekommen sind. Daher gehe ich mit der folgenden Übersicht ein wenig ins Detail und werde im Laufe der Zeit zu jedem der Punkte auf der Liste einige Beiträge schreiben.
Mein Glaube im Detail. Das ist es, woran ich glaube:
- Ich glaube an die uneingeschränkte Gleichwertigkeit der Menschen.
- Die Liebe meiner Oma, auch über ihren Tod hinaus, ist für mich eine Gewissheit.
- Ich glaube an das Doppelgebot der Liebe in aller Konsequenz.
- Jedes Lebewesen ist mit jedweder Materie und Antimaterie dieses Universums verbunden, denn Gott ist in allem und alles ist in Gott.
- Gott ist das absolut Gute. Und Gott ist das absolut Böse. Die Figur des Teufels ist eine Erfindung derjenigen, die das nicht ertragen können, und stattdessen – entgegen aller Beweise – der infantilen Vorstellung eines „lieben und ausschließlich guten Gottes“ anhängen.
- Gott war immer, ist und wird immerwährend sein.
- Gott ist männlich, weiblich, alles dazwischen und darüber hinaus bis hin zu geschlechtsneutral. Gleichzeitig.
- Gott existiert in allen Zeiten und dies zeitgleich in allen seinen Entwicklungsstadien, vom Äquivalent eines Gottes-Babys über das göttliche Kind und den göttlichen Teenager bis hin zum göttlichen Erwachsenen und göttlichem alten weisen Greis – und dies, wie gesagt, zu jedem Zeitpunkt alles zugleich.
- Gott befindet sich in einem ständigen Fluss der Entwicklung und ist sich jederzeit bewusst, wie weit er dabei gekommen ist.
- Allwissenheit in Kombination mit Allgegenwart und Allmacht führt zu Langeweile und zu Ungeduld.
- Aus dieser Gefühlslage heraus entschied Gott, den Menschen zu erschaffen. Ein Wesen, dass ihm möglichst ähnlich sein und sich doch gleichzeitig auch von ihm unterscheiden soll.
- Gott hat die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Das betrifft insbesondere die psychische Ebene.
- Woher stammt unsere Fähigkeit zur Hoffnung, zur Liebe, zur Selbstlosigkeit, dazu Träume zu haben und ihnen zu folgen? Von Gott. Woher kommt der Drang zur Zerstörung, die Wut, der Verrat, die Gleichgültigkeit, die Egozentrik, der Sadismus? Von Gott. All dies und alles andere sind Wesensaspekte Gottes und, da er uns aus sich selbst heraus erschaffen hat, daher auch ein Teil von uns.
- Gott ist mit uns verbunden und wir sind mit Gott verbunden. Gott ist sich der Verbindungen bewusster, als dies (zurzeit noch) bei den allermeisten Menschen der Fall ist.
- Gott sehnt sich.
- Gott sehnt sich nach Stimulation, nach Interaktion, nach Anerkennung, nach Verbundenheit und nach Liebe.
- Gott möchte um seiner selbst willen geliebt werden, nicht aus einem Pflichtgefühl heraus, nicht weil es „sich so gehört“, auch nicht aus Dankbarkeit oder gar aus Angst.
- Gott will auch, dass er bewusst geliebt wird und nicht etwa nur aus Gewohnheit.
- Gott will außerdem so geliebt werden, wie er ist, mit all seinen schönen und all seinen hässlichen Wesensaspekten. Gott will nicht, dass der Einfachheit halber ein verzerrtes und idealisiertes Bild von ihm (á la Hollywood-Schmalz-Schnulzenstreifen) seiner Komplexität vorgezogen wird. Gott sieht sich selbst nicht als „Ach wie süüüüüüß, guuuuudiee guuuuudie guuuu-Wesen“.
- Gott ist frustriert.
- Um schneller zu erreichen, dass wir Menschen ihn so lieben, wie er ist, erteilt er uns Lektionen. Er spielt mit uns. Er tut uns weh. Dann tut ihm das leid und er will alles wieder gutmachen. Bis die nächste seiner sadistisch-tobsüchtigen Phasen beginnt. Er ist wie ein Kind, dass erwartet, dass sein Spielzeug das tut, was es will. Das dann auf dem Spielzeug herumtrampelt, weil das Spielzeug nicht wie gewünscht funktioniert. Das dann erkennt, dass spielen ohne Spielzeug weniger Spaß macht. Das sein Spielzeug dann mit Klebeband notdürftig zusammenflickt und vom Spielzeug erwartet, dass es weiterhin funktioniert und zwar nun gefälligst so, wie gefordert.
- Gott benimmt sich wie ein tobsüchtiger Irrer, wie ein bockiges Kleinkind, wie ein pubertierender Teenager welcher seinen Willen durchsetzen will.
- Gott ist unzuverlässig.
- Gott hält sein Wort exakt so lange, wie ihm danach ist und keinen Moment länger.
- Gott hat einen beschissenen Sinn für Humor.
- Gott hat eine ausgesprochen ausgeprägte sadistische Ader und ich gehöre zu den Menschen, bei denen er sie auslebt.
- Ich bin ein Geschöpf Gottes, bin ihm hilflos ausgeliefert. Ich bin sein Eigentum. Er kann mit mir machen, was er will und ich kann mich nicht wehren.
Warum unser Herrgott mir all die Scheiße in meinem Leben antut?
– Carmen Splitt
Weil er es kann. Weil ihm danach ist. Weil ihn niemand davon abhält.
Eines Tages werde ich endlich sterben dürfen. An guten Tagen glaube ich, dass ich dann endlich wieder zu denjenigen Menschen darf, denen ich etwas bedeute. Dass ich vor allem meine Oma wieder in die Arme schließen darf. Dass ich wieder Liebe empfangen werde. Dass sie mich umarmt, mir sagt, dass es vorbei ist und dass nun endlich alles gut wird. Dass ich Trost und Wärme und Geborgenheit empfange. Und dass ich ein paar Jahrzehnte später Florian Schwarz im Himmel begrüßen kann. Dass er mich sieht und sagt: „Ich habe Dir Unrecht getan. Es tut mir leid. Ich habe mich aufgeführt wie ein Idiot.“ Und dass ich ihm antworte: „Stimmt. Du warst mir gegenüber ungerecht, unlogisch und mir gegenüber ein echter Kotzbrocken. Komm her Du sturer Bock.“ Und das ich ihn dann umarme. Und er endlich wissen wird, dass es nicht diese Art von Umarmung ist. Und er mich endlich sieht, wie ich bin, statt dieses verzerrte Etwas aus Überlagerungen und Erinnerungen an seine früheren Erlebnisse und diesbezüglichen Ängsten und Traumata, die er mir übergestülpt hat. Und dass ich ihm dann meine mütterliche Ahnenreihe vorstelle und er endlich erkennt, wer ich bin. Und er mir seinerseits seine Großeltern vorstellt, auf die ich wirklich sehr gespannt bin.
An schlechten Tagen gehe ich davon aus, dass mit meinem Tod nicht Schluss sein wird. Dass Gott auch dann noch nicht mit mir fertig ist. Dass er seinen Sadismus weiter an mir ausleben wird und mich von Trost und Liebe und Geborgenheit weiter fernhalten wird. An solch schlechten Tagen konzentriere ich mich auf den Glauben von Pastor Florian Schwarz, auf das Vertrauen und die Gewissheit, die ich in seinen Worten gefühlt habe und in seinen Augen lesen konnte. Damals, als er während der Predigt bei Omas Beerdigung sagte, dass er sich freue, meine Oma eines Tages kennenzulernen. Und damals, als er mir mit einem Abendmahl und einer Beichte so sehr geholfen und mir zugesichert hat, dass Gott mir meine Schuld vergeben hat.
An den richtig beschissenen Tagen überwältigt mich die Erkenntnis, dass Florian mir diese Zusicherungen gar nicht geben kann. Dass es ihm unmöglich ist, etwas zu versprechen, auf das er keinen Einfluss hat und auch keinen Einfluss nehmen kann. Er kann nicht für Gott sprechen. Kann nicht dafür einstehen, dass dieser für mich da ist. An solchen Tagen ist mir sehr präsent, dass es ihm sogar verwehrt ist, die Einhaltung seiner eigenen, nur menschlichen, Versprechungen mir gegenüber zu gewährleisten. Dass er daran aufgrund Gottes beschissenen sadistischen Humors in einigen Fällen bisher gescheitert ist. Und dann ist das einzige Wort, das mich einigermaßen bei Verstand bleiben lässt, das Wörtchen „bisher“.
An den richtig richtig richtig beschissenen Tagen, verpufft das eingeredete „bisher“. Dann falle ich und versuche mich irgendwie doch noch weiter an dem Vertrauen von Florian festzuhalten. An seinem Glauben. Das ist es, was ich mir gebetsmühlenartig immer und immer wieder vor Augen führe. Und ich versuche irgendwie die Hoffnung aufrecht zu erhalten, dass sein Glauben und sein Vertrauen in Gott vielleicht doch gerechtfertigt sein könnten.
Zusammengefasst glaube ich an Gott, bin es jedoch leid, als eins seiner Lieblingsspielzeuge für sadistische Spielchen herhalten zu müssen. Des Weiteren bin ich seine „Lektionen“ leid. Er kann sie sich sonstwohin stecken. Es ist für mich außerdem schwer, seinen beschissenen Humor weiter zu ertragen. Er hat seinen Spaß oft genug auf meine Kosten gehabt. Mir ist klar, dass er nun einmal ist, wie er ist, doch dass ich mir das auch noch stillschweigend gefallen lassen soll, ist von mir zu viel verlangt.
Dabei kann Gott so ganz anders sein, wenn er will. Bloß will er nicht. Was meiner Ansicht nach an den Menschen liegt. Wir sind ein Teil von ihm. Wenn wir es nicht einmal schaffen, uns untereinander anständiger zu benehmen, wo wir doch alle auf der gleichen Existenzstufe stehen, wieso sollte Gott sich dann die Mühe machen uns und unserem Leid einen Wert zuzumessen der für ihn entscheidender ist, als sein eigener Spaßfaktor?
Einen ganz entscheidenden Anteil am miesen Verhältnis zwischen Gott und Menschen hat die Kirche.
Bis 2013 dachte ich, sie sei Teil der Lösung. Nun weiß ich, dass sie Teil des Problems ist. Mehr noch, sie ist eine der Ursachen. Gott gab uns das Doppelgebot der Liebe. Die Kirche interessiert das einen Scheiß. Die Gewalttätigkeit der Kirche hat System. Es ist so widerlich, dass sie den Menschen vortäuscht, an ihnen und ihrem Verhältnis zu Gott interessiert zu sein.
Die Variante der sprachlosen Gewalttätigkeit der Kirche bereitet mir dabei am meisten Übelkeit. Sie schadet dem Verhältnis der Menschen untereinander und dem Verhältnis zwischen Menschen und Gott mehr, als es jede körperliche Gewalttat tun könnte. Die Kirche zerstört die Seelen der Menschen, indem sie ihren Glauben zerstört. Ihr geht es darum sich selbst zu erhalten, indem sie „störende“ Menschen vertreibt und ausschließt.
Seit ich das erleben musste, hat sich mein Glauben radikal verändert. Kirche ist für mich keine Heimat mehr, sondern ein Ort der Kälte, des Egoismus, der Feigheit, der Doppelmoral und der Verlogenheit.
Ich habe seither extreme Schwierigkeiten mit dem Glaubensbekenntnis.
Mir ist bewusst geworden, dass die abscheulichen Zustände innerhalb der evangelischen Kirche, insbesondere innerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers, ein Sinnbild für das Verhältnis Gottes zu den Menschen ist. Die Kirche in ihrem jetzigen Zustand zerstört den Glauben. Es bleibt nur, trotz Kirche zu glauben. Und auf eine Verbesserung der Zustände hinzuarbeiten, um das durch die Kirche verursachte Seelenleid zu mindern.
Tja, und Gott?
Dank der Kirche gestehe ich mir nun ein: Gott ist ein Arschloch. Und ich sage dazu: Na und?
– Carmen Splitt
Realistisch gesehen, wird sich gegen seinen Willen daran nichts ändern. Nur weil er ein Arschloch ist, müssen wir aber doch nicht ebenfalls eins sein, oder? Wir können stattdessen darauf hinarbeiten sein Verhalten zu ändern, indem wir ihm zeigen, dass es bei uns selbst auch anders geht. Ich für meinen Teil habe ihn schon immer um seiner selbst willen geliebt. So wie er ist, mit all seinen guten und all seinen bösartigen Wesenszügen. Ohne rosarote Brille und ohne Erwartungshaltung, dass er meine Liebe erwidert oder er mir dadurch etwas „schulden“ würde. Ohne Angst. Ohne Minderwertigkeitskomplexe. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ohne, dass ich zu seiner Ungerechtigkeit schweigen würde. Ich glaube an ihn.
Auch bei Kirche und Gott weigere ich mich wegzusehen, zu begangenem Unrecht zu schweigen oder Unrecht schweigend zu erdulden. Was Gott sehr wohl bewusst ist, schließlich hat er mich so erschaffen. Das lässt darauf schließen, dass genau dies in seiner Absicht liegt.
Ich bin Gottes Art Lektionen zu erteilen in der Tat leid. Und ich finde seinen Sinn für Humor echt beschissen. Doch ich teile seine Auffassung, dass ich von den ekelerregenden Zuständen in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers erfahren musste. Er wird schon wissen, warum er sie mir so eindrücklich vor Augen geführt hat. Er hat mich erschaffen. Er kennt mich. Er weiß, was das bei mir auslöst und was ich tun muss. Kämpfen. Wie er mich von jeher hat kämpfen lassen.
Ich bin es so leid. Ich bin so müde. Aber das hält mich wieder nicht davon ab, zu tun, was getan werden muss. Weil es richtig ist, es zu tun! Er kennt mich eben.
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