Karfreitag - der Tag der Trauer oder der Freude?

Karfreitag – der schönste aller Feiertage!

Ich liebe den Karfreitag seit meiner frühesten Kindheit. Endlich darf Jesus von Nazareth sterben. Ich freue mich so für ihn! Endlich kann er dieses beschissene Leben hinter sich lassen. Endlich darf er nach Hause und Frieden finden.

Was ist denn schon die kurze Zeit zwischen verspottender Gerichtsverhandlung und dem Tod am Kreuz, gegenüber all den Qualen, die er in den Jahren zuvor auf der Erde erleiden musste? Ein Fliegenschiss ist es, doch es wird darauf beharrt, seine Leidenszeit wäre auf diese kurze Zeitspanne beschränkt. Diese Behauptung ist lächerlich!

Seit seiner Kindheit war er der Grund, dass seine Mutter mit schrägen Blicken verfolgt wurde. So wie er selbst, als lebender Beweis für die Schande der Familie.

Er war der Grund für Tratsch und Klatsch in der Nachbarschaft. Derjenige, auf den alle mit dem Finger zeigten. Das Kuriosum, das lebte, obwohl es im Leib der Mutter hätte sterben sollen, als sie hätte gesteinigt werden müssen.

Doch er lebte. Wider das Gesetz, wider die Konvention, wider jeglichen gesellschaftlichen Regeln und Normen.

Seine Mutter Maria eine Hure, sein Vater Josef ein Feigling, der nicht den Anstand besaß, seine Pflicht zu tun und das Problem endgültig aus der Welt zu schaffen.

Jesus von Nazareth, ein Hurensohn, Dreck für jeden aufrechten Bürger.

Am Karfreitag darf er endlich sterben. Ich bin traurig, weil er geht, doch meine Freude für ihn überwiegt meine egoistische Trauer. Er darf alles hinter sich lassen. Welch ein Glück für ihn!

Freue Dich mit, Jesus ist tot!

Karfreitag - der Tag der Trauer oder der Freude?
Karfreitag – der Tag der Trauer oder der Freude?

All das Unverständnis und die Gemeinheiten, die ihm sein Leben lang entgegenschlugen,
kann er hinter sich lassen.

Die Einsamkeit, in der er leben musste, weil ihn niemand verstehen konnte.
Und die Einsamkeit, dass es kaum einer verstehen wollte.

Er kann auch den Neid und den Argwohn hinter sich lassen, mit dem er verfolgt wurde.

All die Vorwürfe und Verdächtigungen und Unterstellungen denen er ausgesetzt war. Sicher nicht nur von Fremden, sondern auch von denen, zu deren Familie und Freundeskreis er gezählt wurde.

All das hat endlich ein Ende.

Endlich darf er Frieden finden!

Nie hat er den Ansprüchen genügt.

Den einen war seine Herkunft zu gering, den anderen war er nicht gebildet genug. Für die einen maßte er sich zu viel an, für die anderen ging er nicht weit genug.

Alle wollten etwas von ihm, kaum jemand gab ihm etwas.

Sie zerrten, sie verlangten, sie forderten von ihm. Sie lachten ihn aus, verspotteten ihn, verfolgten ihn mit ihrem Hass. Sie verachteten ihn für seine Andersartigkeit. Sie fürchteten ihn. Sie waren erbarmungslos. Sie demütigten ihn sein Leben lang.

Wie oft hat er sich wohl gewünscht, wie die anderen zu sein?

Dazu gehören zu können? Sich weniger Gedanken machen zu können? Weniger mit anderen mitzufühlen? Von anderen in seinem Wesen wahrgenommen zu werden und nicht zu einem „etwas“ degradiert worden zu sein, dass Erwartungen anderer zu erfüllen hat?

Was ist denn schon die Passionswoche?

Sie ist doch nur ein Hauch dessen, was Jesus von Nazareth über 30 Jahre lang Tag für Tag erlitt. Der Tod am Kreuz ist ein Fliegenschiss gegen das Leid seines Lebens. Karfreitag. Endlich darf Jesus von Nazareth sterben und Frieden finden. Ich freue mich so für ihn. Amen!


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